„Durch alles geht ein Riss, so fällt Licht herein“: Haushaltsrede zur Satzung 2021

There is a crack in everything, that’s how the light gets in! 

So lautet der Kernrefrain aus einem Lied von Leonard Cohen (1992), das ich in Coronazeiten nach Jahrzehnten mal wieder auf meiner Gitarre begleitet habe. Risse sind eigentlich etwas Schmerzhaftes, aber wenn Licht hindurch scheint, ist man getröstet. Corona hat einen Riss in unseren Beziehungen und auch eben in unserem Finanzhaushalt verursacht.

In der vorgelegten Haushaltssatzung für 2021 wird von einem Defizit von 6,6 Mio. Euro ausgegangen, so dass unsere Ausgleichsrücklage auf rund 10 Mio. € schrumpfen wird. Und das bei einem Gesamtvolumen von 204,9 Mio. € bei den Aufwendungen und 200 Mio. € bei den Erträgen. Seien wir froh, dass der Kämmerer die Pandemiefolgekosten mit der Haushaltsrücklage verrechnet und nicht wie Land und Bund auf die nächsten zwei Generationen abwälzt.

Selbst in diesen Zeiten kann man von einer soliden Haushaltsführung der Stadt Kleve sprechen. Deswegen wird unsere Fraktion den Haushalt 2021 auch akzeptieren. Dank an die Kämmerei dafür!

Durch die Haushaltssperre, die der Kämmerer aufgrund der Coronakrise im Mai verhängte, gibt es einen ‚Riss‘ zwischen investiven und konsumptiven Ausgaben im Haushalt, wobei letztere gestrichen sind. Dennoch war der Kämmerer bereit, zusätzliche Mittel für die Kultur bereitzustellen. Einen Antrag auf Zahlung eines Ausfallhonorars für ein ausgefallenes Konzert mit jungen MusikerInnen konnten wir daher zurückziehen und auch die benötigten Mittel für das In-Gang-Setzen eines Kulturleitplanes stehen zur Verfügung. Ein weiterer Antrag auf Erhöhung der Mittel von 5.000€ auf 10.000€ für die Inklusion und Integration fand im Hauptausschuss Zustimmung.

Nun zu den ‚Rissen‘ in der Haushaltsplanung, durch die noch zu wenig Licht hindurchscheint:

Auf S. 94 des Haushaltes für 2021 finden wir den Produktbereich 14 Umweltschutz, der nicht ausgewiesen wird. Alle Rubriken sind leer! Bei allen Fachbereichen steht als letztes Grunddatum ‚Umweltschutzmaßnahmen‘, zu 98% mit einer 0 ausgewiesen. Das geht natürlich nicht. Nimmt man die Zahlen ernst, dann müsste man den Haushalt ablehnen. Exegetisiert und prüft man hingegen die 565 Seiten, dann findet man die Maßnahmen, aber ist nicht sicher, ob man alle gefunden hat. Die Politik hat auf unsere Anregung hin angesichts des Klimanotstandes neue Ausschüsse installiert (Klima-, Umwelt- und Naturschutz sowie Mobilität und Infrastruktur), um in Kleve eine Klimawende herbeizuführen. Das ist nur zu schaffen, wenn für Politik und BürgerInnen die vielfältigen Ausgaben gebündelt und mit oberster Priorität dargestellt werden. Deswegen unser Antrag zur Verbesserung der Darstellung von Klimaschutzmaßnahmen im Haushalt. Bei genauer Durchsicht stellt die Stadt Kleve für Klima- und Umweltschutzmaßnahmen 335.000€ in den Haushalt, das Gebäudemanagement 7.323.000€, die Umweltbetriebe 236.500€, für die Thermokompaktanlage 8.382.000€. Wenn man schon eine stattliche Summe von 16,5 Mio. bereitstellt, sollte das auch deutlich sichtbar werden. Stadtverordnete müssen den Haushalt kontrollieren. Das können wir aber nur, wenn sich ein Interesse für den Bereich Umweltschutz auch in den Köpfen der Verwaltung, zumindest haushalterisch durchsetzt!

Auch unser Antrag zur Bereitstellung von Mitteln sowie der Darstellung der schon beantragten Maßnahmen für den Radverkehr dient einer schnelleren Umsetzung von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen. Insgesamt 244.000€ sind in den Haushalt gestellt (30.000€ für die Umsetzung des Radwegekonzeptes, 184.000€ für den Radweg Griethausen, 30.000€ Spoykanal). Nimmt man den Orientierungswert des Nationalen Radverkehrsplanes von 13€ pro EinwohnerIn und Jahr, liegen wir in Kleve gerade einmal bei 4,49€ pro EinwohnerIn. In unserem städtischen Radwegekonzept von 2011 hatten wir uns eine Steigerung auf 30% bis 2020 vorgenommen. In den neun Jahren haben wir lediglich 12% erreicht. Das ist zu wenig! Deswegen möchten wir alle schon beschlossenen Maßnahmen (Ringstraße, Verkehrsberuhigung Tiergarten-/Spyck- und Heldstraße) als Maßnahme mit Kostenschätzung samt Fördermitteln bis nach den Osterferien vorgelegt bekommen. Wir fordern mehr Verlässlichkeit und Tempo bei der Umsetzung unserer Anträge!

Unser letzter Antrag bezieht sich auf den Klimaschutz in der verbindlichen Bauleitplanung. Wir möchten eine Verbesserung der Kennzahlen im Bereich Bauen und Planen. Hier gibt es eine Rubrik auf den Vorlagen für den Rat, die pauschal angibt, ob Maßnahmen umweltschonend sind oder nicht. Weiß oder schwarz! Anhand dieser läppischen Information können Stadtverordnete natürlich keine Kontrolle ausüben, was die Berücksichtigung des Klimaschutzes betrifft. Innerhalb einer Maßnahme können Elemente wie der Bau mit nachhaltigen Rohstoffen, das Einbringen von effizienter Gebäudetechnik, die Energieaufwendung für die Unterhaltung und die Begrünung von Flachdächern den CO2 Ausstoß senken. Solche Differenzierungen ermöglichen erst eine Aussage über die Nachhaltigkeit des Baus in Zeiten des Klimawandels.

Stadtplanung und -gestaltung müssen auch ein konsequentes und erfolgreiches Ver-waltungshandeln im Rahmen der Kooperation mit Vorhabenträgern ermöglichen. Eine ausreichende politische Rückendeckung ist hier wesentlich. Wir müssen so etwas wie Eckpunkte des gewünschten Verwaltungshandelns formulieren, die privaten Bau-herrInnen, InvestorInnen, ArchitektInnen und auch beim Verkauf städtischer Liegenschaften Klarheit im Hinblick auf eine nachhaltige Stadtentwicklung verschaffen. Um eine energetisch optimierte Stadtbauplanung zu schaffen, ist eine frühzeitige Abstimmung der Interessen aller Beteiligten von Nöten. Uns ist sehr bewusst, dass damit das Spektrum der von der Planungsverwaltung zu erfüllenden Aufgaben erweitert wird. Aber unser Ziel bleibt die Umsetzung klimapolitischer Ziele und Maßnahmen im Rahmen der Bauleitplanung!

Auch brauchen wir baugebietsbezogene Energiekonzepte, um städtebaulich abgestimmte Umsetzungswege zu finden. Wir müssen sehen, ob die vorhandenen Personal- und Fachkapazitäten reichen! Sonst müssen sie geschaffen werden.

Bauleitplanung und Stadtentwicklung haben nicht zuletzt auch eine soziale Komponente. Wir wissen, dass wir bis 2030 im Kreis Kleve 3000 preiswerte Wohnungen brauchen. Da kommt unsere städtische Wohnungsbaugesellschaft (GeWoGe) ins Spiel. Wir haben einen Kriterienkatalog – von der Bauverwaltung spezifiziert – vorgelegt, wo stadtprägende Bauprojekte öffentlich diskutiert werden, wie letzthin beim Projekt Schweinemarkt der GeWoGe. Wir können keine Projekte einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft unterstützen, die Mietpreise von rund 11€ pro Quadratmeter nötig machen.

Die vielen Aufgaben einer Stadtverwaltung machen externe Gutachten nötig. Im Haushaltsetat 2021 sind Kosten von 594.100€ veranschlagt. Ein Artenschutzgutachten mit 35.000€, Panniergelände mit 50.000€, Fassaden- und Hofflächenprogramm 60.000€, Klimaatlas 30.000€, Minoritenplatzbebauung 5.000€. Zum letzteren ein paar Bemerkungen.

Alle Fraktionen haben in der letzten und vorletzten Ratsperiode einen Konsens darüber formuliert, dass erst die Schulen geplant werden müssen. Inzwischen haben drei namhafte Architekten auf eigene Kosten oder von Bürgern unterstützt ihre Ideen für den Minoritenplatz vorgelegt. Der Rat hat Eckpunkte festgelegt. In den Wahlprogrammen aller Fraktionen (außer AfD) wurde die Idee eines öffentlichen Gebäudes für Stadtbücherei und VHS favorisiert. Innerstädtische Verkehrsplanung unter Klimaschutzbedingungen lässt die ‚alte‘ Idee einer Tiefgarage unter dem Minoritenparkplatz obsolet erscheinen. Deswegen haben wir Grüne schon in der letzten Ratsperiode den Antrag gestellt, aus dem Rathauskeller eine Fahrradtiefgarage zu machen. Dass die CDU unsere Idee nun zu ihrem eigenen Antrag gemacht hat, können wir inhaltlich nur begrüßen. Die Politik muss aber eine Entscheidung treffen – und dafür reichen 5.000€ veranschlagte Gutachterkosten im Jahr 2021: Wohnbebauung oder öffentliches Gebäude, Autotiefgarage oder Fahrradgarage unter dem Rathaus, ein zusätzlich versiegelter Platz oder Grünanlagen?

Zum Schluss lassen Sie mich auf einen unsere Stadt prägenden Punkt eingehen, der am wenigsten haushalterisch ins Gewicht fällt, aber das starke Potential unserer Stadt markiert: unsere Vereine.

Ob Theater im Fluss, XOX-Theater, Klevischer Verein, Freunde der Museen, Sport- und Karnevalsvereine, Chöre und Orchester, Haus Mifgash und die Stolpersteine und noch viele andere mehr, sie alle prägen das städtische Leben und machen das kulturelle Alleinstellungsmerkmal dieser Stadt aus. Hier sammeln sich starke kreative Ideen. Ein vom Klevischen Verein angedachter kultureller Rundlauf entlang Museen, Tierpark und Schwanenturm würde die Attraktivität unserer Stadt erhöhen, ein Sportpark am Bresserberg ebenfalls. Die Expertise und Gewerbesteuern von Einzelhandel und Mittelstand (und nicht von den ‚Großen‘) ist wichtig für die weitere Entwicklung von Kleve. Begegnen wir einander auf Augenhöhe, lassen wir nicht das Gefühl eines tiefen Grabens aufkommen. Auch wenn der Riss in Cohens berührendem Lied für mehr Licht steht, wäre uns nicht damit gedient, wenn der Riss zu einem tiefen Graben würde. Denn hier scheint das Licht für die Zukunft auf!

Dank an die BürgerInnen, die uns in diesem Jahr ihre Stimme gegeben haben!

Dank an die Verwaltung, die in diesem Jahr viel geleistet hat!

Dank an all die Jungen und Junggebliebenen im Rat, die uns viel Energie geben!

Viel Erfolg dem neuen Bürgermeister!

Bleiben Sie gesund und auf Abstand nah!

Dr. Hedwig Meyer-Wilmes

Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Kleve