Haushaltsrede 2016

Lesen Sie unsere Haushaltsrede vom 21.12.2016 für das Haushaltsjahr 2017

 

Zu den sichtbaren und unsichtbaren Haushaltsposten der Stadt Kleve

 

Dr. Hedwig Meyer-Wilmes

 

 

Bevor ich mich den sichtbaren Haushaltposten widme, die, wie mir scheint, im Moment das kleinste Problem unserer Stadt sind, möchte ich, dass hier im Rat ein paar Dinge in Ordnung gebracht werden, damit wir, BM, Verwaltung und die Stadtverordneten aus dem Bereich der Emotionen herauskommen und wieder vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Es geht also erst einmal um die unsichtbaren Haushaltsposten!

Unsere Zustimmung einer Umwandlung der Sekundarschule in eine zweite Gesamtschule  war nur der politischen Vernunft gezollt, und wir haben viel getan, um einen Kompromiss herbeizuführen. Wenngleich wir wissen, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft vor wahrscheinlich schwierigeren Gesprächen stehen als heute. Die BM hat uns vorgeworfen, dass wir das Wohl der Stadt gefährden, also unseren Verpflichtungseid brechen und sich in einem Brief an uns dafür entschuldigt, dass sie zu Beginn der Ratssitzung bereits als ‚Retterin der Stadt‘, das Ergebnis verkündet hat. Wir hätten nach diesem Faux pas auch einfach aufstehen und gehen können, aber das haben wir der Sache wegen nicht getan! Sie, verehrte Frau BM, erklären, dass Sie von der emotionalen Stimmung der wartenden SchülerInnen erfasst wurden. Das aber ist genau das Problem: wenn Politik Emotionen als Argumente gelten lässt, denkt sie nur an den momentanen Erfolg und nicht an die Folgen. Wenn dann noch eine Ausschussvorsitzende die populistische Klaviatur beherrscht: vereinfachen, verteufeln, vertagen! und im Ausschuss jedwede kritische Anfrage ins Protokoll verbannt oder mit Lügen über Einladungen, denen wir angeblich nicht nachgekommen sind, abkanzelt, dann spielt die Sache, um die es geht, keine Rolle mehr. Affekte erzeugen üble Nachrede und sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt (H. Maas, Justizminister der SPD).

Wir haben es ertragen, dass unser Büro mit Eiern beschmiert wurde, Scheiße in den Briefkasten gesteckt wurde, mein Autoreifen zerstochen wurde. Aber wir ertragen es nicht, wenn in den Fachausschüssen nicht inhaltlich diskutiert wird, wenn der Rat zum Vollstrecker-Gremium der BM verkommt. Auch ertragen wir es nicht, wenn die Verwaltung unsere Beschlüsse nicht umsetzt, geschweige denn, diese torpediert (Schulbau und Bensdorp). Das schadet der Stadt und liegt in Ihrer Verantwortung! Und das kostet Geld! Wir Stadtverordnete sind ehrenamtlich tätig, haben alle noch einen Hauptberuf. Im Moment ist die politische Arbeit wegen der ganzen Sondersitzungen und überlangen Ratssitzungen kaum noch angemessen zu erledigen, auch das schadet dem Wohl der Stadt!

Es ist die Zeit des Wünschens und ich hoffe, dass im nächsten Jahr wenigstens drei Wünsche in Erfüllung gehen:

1.      Haben wir mehr Mut zu kontroversen Positionen in den Fachausschüssen und lassen wir diesen ewigen Ruf nach Fraktionsberatung! Und das heißt auch, dass die Verwaltung nicht Informationen auf den letzten Drücker weiterleitet.

2.      Wir wünschen uns eine BM, die weniger auf die Emotionen einiger, denn auf Gespräche mit allen Fraktionen baut und damit den Rat als parlamentarisches Gremium ernst nimmt!

3.      Wir wünschen uns eine Verwaltung, die trotz ihrer vielen Arbeit Bürgerbeteiligung möglich macht und sie (und uns) nicht vor vollendete Tatsachen stellt. Wenn Zeitschienen nicht eingehalten werden können, wollen wir keine Vertröstungen, sondern eine Kontrolle durch eine schon vorhandene Stabsstelle im Baubereich.

Nun zu den sichtbaren Haushaltsposten:

Wie der Kämmerer bereits verkündet hat, ist im vorliegenden Haushalt das haushalterische Minus von 3,5 Millionen im letzten Jahr auf ein Plus von 500.000 Euro gebracht worden, aber unsere allgemeine Rücklage ist aufgebraucht und muss wieder angespart werden. In diesem Spannungsfeld befindet sich der städtische Haushalt: hohe Transferkosten, die nötig sind, aber oft von den Kommunen gestemmt werden müssen, weil das Konnexitätsprinzip immer häufiger missachtet wird. Hohe Investitionen im Bereich Schule, fast 9 Mill., die aber nicht gebaut werden, sinkende Gewerbesteuer, obwohl Kleve wirtschaftlich gut aufgestellt ist: Gastronomie und Baugewerbe finden in Deutschland anscheinend immer ganz legal ein steuerliches Schlupfloch, um keine Gewerbesteuern zahlen zu müssen. Handwerk, Banken und Dienstleistungsbetriebe hingegen stemmen diesen Posten!

Laut einem aktuellen Gutachten des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln vernachlässigt NRW mit 5,9 % Ausgaben für Schulen an den gesamten Baumaßnahmen den Schulneubau und steht damit im Landesvergleich an letzter Stelle. Die Stadt Kleve investiert 43,83 % der gesamten Baumaßnahmen in die Schulen und stünde damit noch vor Schleswig-Holstein an der Spitze des Rankings (mit 22,5 %). (In den Jahren 2009-2017 übrigens 28,17 % der gesamten Bausumme für Schulen).  Aber wo bleibt die tatsächliche Umsetzung der immer wieder in den Haushalt gestellten Gelder?

Die Stadt Kleve schafft es immer noch, viele Asylsuchende dezentral unterzubringen, obwohl diese Kosten nicht vom Land ersetzt werden. Das sind freiwillige Leistungen, die sich kaum eine Kommune leisten kann und wir tun es.

Und diese freiwilligen Posten stehen auch nicht in der Konsolidierungskommission zur Diskussion, die im März dieses Jahres das letzte Mal getagt hat. Warum? Hat da jemand Angst vor den Landtagswahlen? Der USK-Chef Herr Rolf Janssen hat im letzten Jahr gut durchdachte Sparvorschläge gemacht, wieso wird die Diskussion nicht vorangetrieben? Das sind wir ihm und seinen MitarbeiterInnen schuldig. Wann reden wir über die Draisine und das Technologie-Zentrum, wie man dem Haushalt entnehmen kann: reine Zuschussposten. Die Grünen drängen darauf, dass dieser Prozess fortgeführt wird. Wir können nicht dem Weihnachtsmarkt e.V. Zuschüsse streichen und die großen Posten aufschieben. Auch sollten wir im interfraktionellen Konsolidierungsausschuss überprüfen, ob die Bettensteuer nötig war.

Die Stadt Kleve investiert jährlich 1,3 Mill. Euro in das Museum plus 300.000€ Investitionen für die Sanierung der Fassade in diesem Jahr. Das ist uns unser Museum wert und steht bei keiner Fraktion,  außer ab und zu bei der FDP, in Frage. Auch wenn Ausstellungen ein Minus machen wie in diesem Jahr, greift der Kämmerer dem Museum unter die Arme! D.h. aber auch, dass die Stadt einfach keinen Spielraum für eine Dachsanierung des Hauses Koekkoek hat. Geschweige denn für den Ankauf der Hl. Drei Könige, wie einige Museumsbegeisterte beanspruchen  und die ich gerne in Kleve hätte, zumal sie ja eigentlich für die weihnachtliche Praxis des Schenkens verantwortlich sind. Demgegenüber sind die 350.00,- Euro für die freie Kunstszene und das Theater scheinbar gering, doch für eine Stadt mit 50.000 EinwohnerInnen dann beinahe üppig! Aber wenn Bruno Schmitz dann wie beim letzten Zukunftsgespräch verkündet: „In anderen Städten wird Kultur für viel wichtiger gehalten!“  und uns Stadtverordneten vorwirft, die Stadt Kleve würde diese Arbeit nicht wertschätzen, halte ich das für eine Tatsachenverdrehung. Fakt ist, dass in meiner bisherigen Zeit als Stadtverordneter noch nie ein Antrag von Herrn Schmitz eingegangen ist. Andere machen sich diese Mühe, wie z.B. das Theater im Fluss, was jetzt strukturell mit 10.000 Euro gefördert wird und in diesem Jahr 3000,-Euro für aktuelle Programme erhält. Oder wie der Klevische Verein, der sich für seine vier Klaviersommer-Sonntage um Sponsoren bemüht und bei diesen Veranstaltungen ohne finanzielle Hilfe der Stadt auskommt.

Als unsichtbare Haushaltsposten haben sich in den letzten drei Jahren Ausgaben angesammelt, die zur Planung und zur Rechtsberatung gehören. Wir sind mit wichtigen Vergaben gescheitert. So wurden für die Gutachten aus dem Bereich städtebauliche Planung im Jahr 2015 und 2016 fast 240.000 Euro benötigt. Für die GSK Rechtsberatungskosten (Rathaus, Gesamtschule Rindern usw.) zwischen 2014 und 2016 wurden fast 350.000 Euro ausgegeben. Für das Gutachten KAG 68.500,- Euro, für weitere Gutachten im Bereich Schule mehr als 19.500 Euro und für die Rechtsberatung im Fachbereich 30 in den letzten beiden Jahren über 125.000 Euro, das ergibt eine Gesamtsumme von 803.363,- Euro. Bündnis 90/Die Grünen beantragen deswegen eine Stelle für einen Juristen/in mit einer Spezialisierung im Vergaberecht, die jährlich schätzungsweise 110.300,- Euro kostet, um dieser Kostenflut strukturell zu begegnen.

Auch bitten wir unseren Antrag auf Aufstockung des Personalbestandes für die Abteilung Schule, Kultur und Sport zu unterstützen. Die können wir nicht mit Spareffekten begründen, sondern mit den vermehrten Aufgaben dieser Abteilung, die vor großen Herausforderungen steht (Schulentwicklungsplan, Implementierung Sportentwicklung, Neustrukturierung Stadtmarketing, Interimslösungen bei den Schulen des Längeren Gemeinsamen Lernens).

Zum Schluss lassen Sie mich die Idee eines kommunalen Zukunftslabors des Stadtkämmerers aufnehmen:

a)      Die zukünftige soziale Lage der Stadt wird weiterhin durch hohe Transferkosten gekennzeichnet bleiben, d.h. auch, dass die Notwendigkeit der Aktivierung des sozialen Wohnungsbaus besteht.

b)      Für die Bildung braucht Kleve ein vielfältiges Schulangebot. Für diesen weichen Standortfaktor sind viele Investitionen bereits beschlossen. Schulkonzeptionell bleibt das Problem, dass bei 2 Gymnasien, 1 Realschule, nun 2 Gesamtschulen und dem Berufskolleg mit 23 Bildungsgängen sowie 3 Beruflichen Gymnasien es den Schulen des gemeinsamen längeren Lernens schwer gemacht wird, eine Oberstufe zu bilden und ein unterscheidendes Profil zu erstellen!

c)      Die Integration von Asylsuchenden gelingt nur, wenn das Bürgerengagement so hoch bleibt und die Bundespolitik menschlich in ihrer Migrationspolitik. Die Stadt muss weiterhin auf die Dezentralisierung der Unterbringung setzen und auf Appelle zur Arbeitsintegration. Eine Bündelung der Arbeit sowie eine Unterstützung der Ehrenamtlichen erhoffen wir uns von der Koordinationsstelle, die wir bereits in diesem Jahr beschlossen haben. Auch muss es gelingen, die Ideen eines kommunalen Aktionsplanes zur Inklusion, wie im Sozialausschuss und Generationenbeirat diskutiert, umzusetzen.

d)      Wir müssen auf den demographischen Wandel vorbereitet sein sowie auf die gesetzlichen Neuerungen in Bezug auf gesellschaftliche Teilhabe. Stadtplanerisch müssen alte und neue Quartiere in den Blick genommen werden, Sozialräume geschaffen werden. Da kommt auch dem städtischen Platzkonzept und der Freizeit-und Begegnungsgestaltung eine hohe Priorität zu (z.B. bei der Stadthallenumfeldgestaltung).

e)      Die E-Mobilität der Autos nimmt Fahrt auf, dafür müssen im Stadtgebiet entsprechende Voraussetzungen wie z.B. Aufladestationen geschaffen werden. Die Stadtquartiere müssen kartographiert werden, damit die Quartiersentwicklung beginnen kann, die Baumschutzsatzung muss angewandt und verbessert, die Stadt muss pestizidfrei, eine Begegnungsmeile von der Hochschule bis zum Hallenbad diskutiert werden. Was wir brauchen ist ein Masterplan „Grüne Stadt Kleve“, also eine Querschnittsvision im Umwelt-und Verkehrsausschuss, Sozial-, Bau- und Planungs- sowie im Kultur- und Stadtentwicklungsausschuss erarbeitet, damit wir uns nicht ständig in Einzelmaßnahmen verstricken.

Das geradezu Wohltuende an 479 Seiten Haushalt ist der Umstand, dass hier Fakten versammelt werden und das in einer postfaktischen Zeit – so das Unwort diesen Jahres!

Nun kann man diese, wie die Reden hier zeigen, unterschiedlich interpretieren, aber der Bezugspunkt ist klar. „Man muss die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen kann!“ (Mark Twain). Also Dank an die Kämmerei für diese Tatsachen!

Politisch wünsche ich mir, dass wir uns in der Ausschussarbeit mehr auf Fakten und kontroverse Inhalte konzentrieren, denn es gibt einen Grund dafür, dass Mick Jagger niemals ein Lied von Helene Fischer singen würde und Jagger war wirklich ‚atemlos‘, als er Satisfaction komponierte.