Der Mensch in den Mittelpunkt

Der Kölner Stadtplaner Franz Linder ermutigt die Klever Politik dazu, konsequenter aufs Fahrrad zu setzen. Michael Bay fordert eine neue Verkehrs- und Grünplanung
Eine lebenswerte Stadt räumt Radfahrern, Fußgängern und Parkanlagen mehr Platz ein.                                               <b>Thorsten Lindekamp</b>                                              Funke Foto Services GmbH
Michael Bay, Mitglied der Grünen-Ratsfraktion in Kleve.                                               <b>AG</b>                                              NRZ

Eine lebenswerte Stadt räumt Radfahrern, Fußgängern und Parkanlagen mehr Platz ein. Thorsten Lindekamp Funke Foto Services GmbH

Andreas Gebbink

Kleve Wie viel Autos wollen wir künftig in Kleve noch zulassen? Wie viel Grün muss zusätzlich in die Innenstadt? Wie muss der Radverkehr neu geregelt werden? Und welchen Beitrag können Busse und Bahnen zu unserer Mobilität leisten? Michael Bay, Vorsitzender des Klever Umwelt- und Verkehrsausschusses, sieht die Kreisstadt an der Schwelle zu einer völlig neuen Stadt- und Verkehrsplanung: Der Klimawandel, die fortschreitende Urbanisierung, die Digitalisierung der Arbeit, die dringende Notwendigkeit einer Ökologisierung unserer Lebensweise und das Thema Gesundheit zwingen förmlich dazu, auch die Einrichtung unserer Städte neu zu denken. Grün ist der neue Faktor

Zu diesem Thema hat Michael Bay den visionären Stadtplaner Franz Linder aus Köln eingeladen, der im letzten Umwelt- und Verkehrsausschuss eine Vorstellung von der Stadt der Zukunft gegeben hat. Angesichts der enormen Herausforderungen, die die westlichen Gesellschaften zu bewältigen haben, kommt Linder zum Schluss: „Alle Lebensbereiche werden durchökologisiert. Das Thema Grün ist der neue Faktor. Die Stadt der Zukunft ist eine grüne, bewegte und gesunde Stadt.“

Die Stadtplanung müsse den Menschen in den Mittelpunkt rücken, nicht das Auto. Linder zeigte in seinem Vortrag mutige Beispiele aus Hamburg und asiatischen Städten, die konsequent auf eine grüne Gestaltung setzen. Zum Leitbild müsse gehören: Parkplätze raus, Grün rein. In chinesischen Städten denke man viel intensiver über die Anlage von städtischen Parks nach, die die Lebensqualität erhöhen, Ruhe und Gesundheit bieten.

Linder sieht den Fuß- und Radverkehr in der Stadt als Basismobilität der Zukunft. Doch nach wie vor werden 50 Prozent der Kurzstrecken mit dem Auto zurückgelegt. Dieses müsse sich ändern: Den Klever Politikern machte er Mut und forderte für den Radverkehr: „Machen Sie Achsen! Machen Sie ein Netz von Fahrradstraßen!“ Gute Beispiele gebe es ganz in der Nachbarschaft: „In Nimwegen macht das Radfahren Spaß!“ Verkehrswende mit Fahrrad

Auch der ÖPNV müsse neu gedacht werden. Busse und Bahnen seien zu statisch, um eine individuelle Nachfrage zu bedienen. Daher müsse das Geld nicht weiter in eine marode Bahn gesteckt werden, sondern man müsse das Geld für mehr Individualisierung nutzen. Anrufsammeltaxis oder Bus on demand seien zukunftsfähige Konzepte.

Im NRZ-Gespräch konkretisiert Michael Bay die globalen Forderungen des Stadtplaners für Kleve: „Um eine Verkehrswende hinzubekommen, müssen wir mehr Radweg schaffen, die vom Autoverkehr getrennt werden. Aber bislang scheitern wir ja schon an der Aufgabe, eine Fahrradstraße vorfahrtsberechtigt zu machen oder nicht…“ Bay spricht hier die Diskussion um die Ackerstraße an. Mehr Grün, mehr Lebensqualität

Damit Kleve in Zukunft mehr Lebensqualität bieten kann und die Anforderungen des Klimawandels gemeistert werden, müsse man sich von der Fixierung auf das Auto lösen. „Wir müssen akzeptieren, dass diese Zeit vorbei ist. Wir benötigen einen anderen Aufbau der Stadt. Der Mensch muss in den Mittelpunkt“, fordert Bay. Dies heiße nicht, dass man das Auto gänzlich verbannen müsse, aber man müsse häufiger aufs Auto verzichten und dafür mit dem Rad fahren: „Wir haben jetzt die Möglichkeit, eine Mobilität zu schaffen, mit der wir uns wohlfühlen“, sagt Bay. Man solle nicht länger die Stadt für Parkplätze kaputt machen.

Um diese Herausforderungen anzugehen, benötige Kleve ein Mobilitätskonzept: „Aber darüber reden wir schon seit sechs Jahren“, ärgert sich Bay. Kleve sei noch keine fahrrad- und fußgängerfreundliche Stadt. „Kleve ist immer noch auf Autos ausgelegt“, so der Vorsitzende des Verkehrsausschusses. Und hier gelte es neue Wege zu bereiten. 15 Prozent aller Autofahrten seien kürzer als ein Kilometer.

Dank des E-Bikes lasse sich Mobilität ganz neu denken, weil man bequemer fahren könne und weitere Strecken zurücklegen kann. „Wir müssen endlich einen Plan für Kleve machen, aber auch in die Region denken.“ Bay regt ein Ringsystem für Radfahrer an und endlich echte Fahrradstraßen in der Stadt. „Wir brauchen ein Verkehrskonzept, welches Wohnen und Arbeit verbindet.“ Der Klimamanager soll es leisten

Michael Bay erwartet viel vom neuen Klever Klimamanager. Dieser müsse die notwendigen Diskussionen anstoßen und in der Verwaltung koordinierend tätig sein. Es wäre fatal, wenn der Klimamanager jetzt mit Aufgaben zugeschüttet werde, die eigentlich im Bereich der USK anzusiedeln sich: Etwa die Koordination von Blühstreifen in der Stadt. „Ich hoffe, dass der Klimamanager sich durchsetzt. Wir haben nicht mehr viel Zeit, um die Stadt auf den Klimawandel einzustellen.“

Bay regt an, mehr Grün in der City zuzulassen. Die Plätze in der Stadt müssten neu gestaltet werden, mit mehr Bäumen und Beeten. Es sei nachweislich so, dass diese das Wohlbefinden erhöhen.