Umweltschutz in der Düffel – Faktencheck

Die Naturschutzstation Niederrhein der NABU in Kranenburg hat im Rahmen des EU-Projektes Life+ den Auftrag erhalten, die Lebensbedingungen für Wiesenvögel in der Rheinniederung zwischen kranenburg und Kleve zu erhalten. Landwirte in der Düffel sehen das Projekt als überflüssig an. Wir dokumentieren einige Aspekte der Auseinandersetzung.

Vertreter von CU, SPD, FDP und Grünen auf einer Führung der NABU am Juni 2013 – Foto. Heinz Holzbach, NRZ

Gespräche ausgeschlagen

NRZ-Bericht vom 21.06.2013

Mehr Miteinander, weniger Gegeneinander – das ist wohl das Fazit aus eineinhalb Stunden Informationsveranstaltung durch die Kreisbauernschaft im Haus Riswick. Die Landwirte hatten eingeladen, um über die aus ihrer Sicht einseitigen Informationen seitens der NABU Naturschutzstation Niederrhein über das Projekt Life+ Grünland für Wiesenvögel in der Düffel zu sprechen. Und um ihrem Ärger darüber Luft zu machen.

Peters: Düffel wird kaputt geschützt

„Wir sind stolz auf das bäuerliche Kulturgut Düffel“ stellte Kreislandwirt Josef Peters gleich zu Beginn klar. „Aber das möchten wir uns nicht kaputt schützen lassen.“ Fakt sei, so Peters, dass die Kartierungen einen Rückgang der Vögel bzw. der Brutvorkommen ergeben hätten. „Die meisten Vögel konnten auf den intensiv bewirtschafteten Flächen nachgewiesen werden.“ Der NABU aber habe nach den Kartierungen im Oktober 2012 eine neue Karte erstellt, auf der deutlich mehr Vögel nachgewiesen wurden. Peters sparte nicht mit Kritik an der NABU: „Das ist überzogener Natur- und Umweltschutz.“

Der Geschäftsführer der Kreislandwirte, David Michalowski, führte aus, dass schriftliche Vereinbarungen von Seiten des NABU nicht eingehalten worden seien. So suggeriere man die (notwendige) Zustimmung für das Projekt vor Ort, Hegering Kranenburg, Verein für Heimatschutz Kranenburg, Heimatkundeverein Die Düffel und andere aber hätten die Mitarbeit im Projektbeirat abgelehnt. Auch eine Beteiligung der Bürger habe nicht stattgefunden. Der Vorwurf der Landwirte: „Der für das Projekt zuständigen EU-Kommission wurden falsche Voraussetzungen übermittelt.“

Bürgermeister Steins mit Josef Peters und Landwirten nach der Pressekonferenz in Riswick – Foto: Thomas Velten

Politiker und Bürgermeister warben für Konsens

Für Konsens zwischen den beiden Parteien warb der Umweltpolitiker Karl-Heinz Florenz MdEP. Es seien einige Widersprüche aufgetreten, „die Kommission will sich nun vor Ort selbst ein Bild machen“. Dabei ist das Projekt in Brüssel bereits genehmigt worden, die Mittel sind bewilligt. Bekanntlich soll eine Fläche von 215 Hektar angekauft werden. Allerdings fällt eine endgültige Entscheidung über das Projekt in Düsseldorf.

Für einen Dialog warben auch die Bürgermeister Günter Steins und Theo Brauer (Kranenburg und Kleve). „Hier bleibt die Diplomatie auf der Strecke, durch Polarisierungen wird die Atmosphäre vergiftet,“ sagte Brauer. „Alle müssen an einen Tisch“, wünschte Steins.

NABU: Wir wünschen Kooperation

„Wir haben immer alles ganz transparent gemacht“, hält der NABU-Projektleiter Daniel Doer dagegen. Es seien die Landwirte, die Gespräche ausgeschlagen und das Projekt abgelehnt hätten. „Gegenüber der EU-Kommission haben wir diese schwierige Ausgangslage nicht verschwiegen“, betont Doer. Wegen der Wichtigkeit des Projektes habe man sich dort dennoch für eine Umsetzung entschieden. „Wir wünschen uns eine Kooperation mit den betroffenen Landwirten, wollen ihre Belange berücksichtigen.“

Claudia Gronewald, NRZ 21.06.2013

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Führung auf einer extensiv genutzen Fläche in Kranenburg – Foto Thomas Velten

Kein Duell in der Düffel

Anmerkungen von Thomas Ruffmann

Als ich in 1986 von Westfalen nach Niel gezogen bin, konnte ich vom Garten aus Brachvögel, Uferschnepfen und sogar Bekassinen hören, die ich bis dato nur von Nordland-Urlauben kannte. Ich glaubte, im Paradies gelandet zu sein, und fing bald an, mich im NABU zu engagieren, damit das so bleiben sollte.

Brutbestand um ein Drittel geschrumpft

Was die Brutvogelzählungen seither ergaben, konnte ich dann auch selbst hören, besser gesagt nicht mehr hören:  Die Uferschnepfe, Charaktervogel der Düffel, ist in ihrem Brutbestand auf ein Drittel geschrumpft. Die Bekassine oder Himmelsziege, Vogel des Jahres 2013, ist hier verschwunden.

Höchste Zeit also, dass jetzt von der EU und NRW Gelder für ein Projekt bewilligt wurden, das diesen Trend stoppen will. Dankenswert ausführlich hat die RP in der letzten Woche über das LIFE-Projekt „Grünland für Wiesenvögel“ berichtet.

NABU-Information sehr sachlich

Vom drohenden „Duell in der Düffel“ war in der Freitagsausgabe die Rede. Die Exkursion mit der NABU-Naturschutzstation habe ich als Teilnehmer deutlich anders erlebt. Die Projektleiter haben kenntnisreich und sachlich  informiert. Natürlich gefiel unseren menschlichen Augen eine noch nicht gemähte Wiese mit vielen Grasarten, Kräutern und einer Fülle an Margeriten und anderen Blumen besser als die angrenzende monotone Grünfläche unter Intensivbewirtschaftung. Das war aber in der RP nicht zu lesen.

Stattdessen kamen einige Landwirtschaftsfunktionäre mit ihrem lautstarken Protest ausführlich zu Wort, die  allerlei Anschuldigungen gegen den NABU in die Welt setzten.  Aber hat die Presse hier nicht auch die Aufgabe, Tatsachenbehauptungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und selbst die Fakten zu recherchieren?

Kartierung der Wiesenvögel in der Düffel – Foto: Thomas Velten

Flächen werden nicht der Landwirtschaft entzogen

215 ha Land sollen für den Naturschutz gekauft werden – diese Flächen werden aber nicht der Landwirtschaft entzogen, wie der Sprecher der Kreislandwirte wider besseres Wissen behauptet  und wie die RP in der Überschrift suggeriert.

Fakt ist: Alle Flächen werden an Landwirte zurück verpachtet – gegen eine deutlich geringere Pacht als ausgleich für die Naturschutzauflagen. Dass die Wiesenvögel auf den intensiv bewirtschafteten Wiesen mit bis zu fünfmaliger Mahd und Einheitsgras häufiger seien als auf den extensiv bewirtschafteten Flächen, wo sie angeblich „zu Tode geschützt werden“, behauptet Herr Peters gebetsmühlenartig.

Es braucht schon sehr viel Bauernschhläue und eine gehörige Chuzpe, um das aus den Zahlen herauszulesen. Weniger als 5% der Flächen im Naturschutzgebiet werden zur Zeit so extensiv bewirtschaftet, wie es die Wiesenvögel brauchen: mit späterer Mahd, geringerer Düngung und ohne Pflanzengifteinsatz. Dort soll der Gesamtbestand geschützt werden? Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig als auf die anderen Flächen auszuweichen.

Artenreiche Wiese auf öffentlichen Flächen in der Düffelt – Foto: Thomas Velten

Artenreichtum nützt uns allen

Wenn dann Kranenburgs Bürgermeister Steins spottet, das letzte in der Düffel gesichtete Uferschnepfenpaar würde den Weiterbau der B9 verhindern, dann frage ich, wie kurzsichtig und polemisch ein verantwortlicher Politiker sein darf.
Viele unter den ganz gewöhnlichen Düffelbewohnern, aber auch unter Landwirten und Politikern, verstehen genau, dass eine artenreiche Wiese mit vielen Gräsern, Kräutern und Blumen nicht nur Vögel schützt, sondern auch uns Menschen dient.

Der  Weg in Richtung Agroindustrie mit immer größeren Maiswüsten, Einheitsgrünland, Gasanlagen und Mega-Stallungen ist eine Sackgasse für alle Beteiligten: Landwirte, Verbraucher und Tiere. Es muss uns einfach gelingen, dass Landwirte zukünftig  mit dem Schutz der Natur ihr Ein- und Auskommen verdienen können Das LIFE-Projekt in der Düffel sehe ich als einen großen und überfälligen Schritt in diese Richtung.

Thomas Ruffmann

Leserbrief zum Projekt Grünland für Wiesenvögel – Berichterstattung in der RP Lokalausgabe Kleve vom 21. und 22.6.2013

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Vergleich von intensiv und extensiv genutzen Flächen in der Düffel

Foto-Collage von Dr. Daniel Doer, NABU Kranenburg


Auf den intensiv genutzten Nachbarflächen, die vier bis fünfmal im Jahr gemäht werden und wo nach jeder Mahd Gülle ausgebracht wird, steht oftmals ein monotones Einheitsgrün aus wenigen Grasarten ohne Blumen. Dort finden Brachvogel- und Uferschnepfenküken keine Nahrung mehr.


Pflanzenvielfalt auf extensiv genutzen Flächen – Fotogalerie von Dr. Daniel Doer, NABU Kranenburg

Von einigen Landwirtschaftsfunktionären wird immer wieder behauptet, dass das LIFE-Projekt der Landwirtschaft Flächen entziehen würde. Die erworbenen Flächen werden aber an Landwirte zur wiesenvogelfreundlichen Bewirtschaftung rückverpachtet. Dabei zahlen die Landwirte wegen der Naturschutzauflagen eine geringere Pacht für die Nutzung. Das Projekt entzieht also keine Flächen, sondern erhält sie langfristig als wiesenvogelgerecht bewirtschaftetes Grünland.

Auch die Forderung nach mehr freiwilligem Vertragsnaturschutzes an Stelle des Flächenerwerbs führt im Wiesenvogelschutz nicht weiter. Zum einen nehmen die Landwirte die Angebote des Vertragsnaturschutzes kaum noch an. Zum anderen stellen sich bei Vertragslaufzeiten von fünf Jahren einfach noch keine bunten Blumenwiesen ein. Das braucht einfach seine Zeit. Denn: „mager treibt die schönsten Blüten“, wie es eine alte Weisheit sagt. Die enorme Blütenpracht auf den Naturschutzflächen in der Düffel entsteht erst bei langjähriger Extensivnutzung – zum Teil erst nach zwanzig und mehr Jahren. So lange braucht es, bis die Altlasten aus jahrelanger Überdüngung aus dem Boden gezehrt sind.

Besonders wichtig für den Erhalt der Feuchtwiesenvögel sind auch Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserhaushalts. Und diese können nur auf Flächen im Naturschutzeigentum durchgeführt werden. Auf Privatflächen mit zeitlich begrenzten Naturschutzverträgen ist das nicht möglich.

 

Fotogalerie von extensiv und intensiv genutzten Flächen in der Düffel

(Fotoimpressionen von Dr. Daniel Doer/NABU im pdf-Format)

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INFO:

Finanzielle Entschädigungen von Landwirten

1. Gänseschäden

Die Höhe der Gänsefraßentschädigungen wird jedes Jahr neu von der Landwirtschaftskammer festgelegt. Man orientiert sich dabei an den Wiederbeschaffungskosten für Futtermittel, denn die Landwirte müssen ja – zumindest in der Theorie – Ersatzfuttermittel für fehlendes Gras (oder Getreide) kaufen. Sind Futtermittel auf dem Markt günstig einzukaufen, sinkt also auch die Gänsefraßentschädigung – und umgekehrt.
Im Winter 2011/12 wurden Gänsefraßentschädigungen von über 6 Millionen Euro angemeldet. Das hat mit der Realität nichts mehr zu tun, sondern hier hat eine Selbstbedienungsmetalität Einzug gehalten, die die LWK durch fehlende Kontrolle der Meldungen und Einhaltung der Auflagen (keine Vergrämung z.B. durch Vogelscheuchen) begünstigt hat. Das wird noch Folgen haben …

2. Vertragsnaturschutz

Die Programme sind sehr differenziert und die Landwirte können ihren „Extensivierungsgrad“ über die Wahl von sog. Vertragsnaturschutz-Paketen selbst bestimmen. Grundsätzlich gilt: Je mehr (Verzichts-) Leistungen desto mehr Ausgleichszahlung.

Auch hier gilt, dass sich die Entschädigungssätze an entsprechende Berechnungen orientieren – allerdings können diese nur alle sieben Jahre angepasst werden. Für die zur Zeit stark zurückgehenden Extensivierungsflächen am Niederrhein  ist m.E. der Hauptgrund, dass die auf vielfache Weise direkt und indirekt subventionierte Intensiv-Landwirtschaft höhere Erträge verspricht; auch der Biogas-Boom spielt eine Rolle. Da kann der Vertragsnaturschutz nicht mehr gegen an finanzieren.
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Hier finden Sie die Vorstellung des Projekts in der NRZ vom 27.07.2013l

„EU stärkt Vogelschutz in der Düffel“ von Andreas Gebbing

 

Opens external link in new windowHier finden Sie die offizielle Seite des Projekts „Grünland für wiesevögel“