Vier Fragen an Simone Peter, Bundesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen

Von Willi Heuvens
Vier Fragen an Simone Peter, Bundesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen
Vier Fragen an Simone Peter, Bundesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen

Die ehemalige Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes ist vielfältig tätig und hat eine sehr große Erfahrung im politischen Bereich. Die studierte Biologin Simone Peter war unter anderem Mitglied des Landesvorstandes von Bündnis 90 / Die Grünen im Saarland, Abgeordnete im saarländischen Landtag, dort auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende und parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion sowie Vorsitzende des Kreisverbandes Saarbrücken.


Die sympathische, tolerante und verlässliche Politikerin war gerne bereit, für die Leserinnen und Leser meine vier Fragen zu beantworten. Frau Peter hat sehr ausführlich geantwortet, meines Erachtens sind ihre Antworten sehr informativ, interessant und lesenwert.

1. Wo setzen Sie die Schwerpunkte im Bundestagswahlkampf 2017?

Unsere Kernthemen für den Wahlkampf sind Ökologie, Gerechtigkeit und Weltoffenheit. Wir haben es gemeinsam in der Hand, jetzt eine bessere Zukunft zu gestalten – es geht um eine Richtungsentscheidung: Wollen wir unsere freie und offene Gesellschaft verteidigen und für mehr soziale Gleichheit sowie Umwelt- und Klimaschutz sorgen oder werden wir uns weiter abschotten, den Spalt zwischen Arm und Reich vergrößern und die Überlebensfrage Klimaschutz weiter vertagen? Und es geht um die Frage: Können wir die Friedens- und Solidarunion Europa stärken und mehr globale Gerechtigkeit für heutige und nachfolgende Generationen schaffen?

Unsere Antwort ist klar: Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen der Klimakrise spürt – und die letzte, die etwas dagegen tun kann. Deswegen stellen wir konkrete Projekte wie den Kohleausstieg in Verbindung mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien nach vorne. Wir wollen ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zulassen und uns vom fossilen Verbrennungsmotor verabschieden. Ökologie und Gerechtigkeit gehen dabei Hand in Hand: durch den sozial-ökologischen Umbau entstehen neue Jobs und wir sorgen für dauerhaft bezahlbare Energie. Außerdem wollen wir, dass gesellschaftlicher Reichtum endlich gerechter geteilt wird, zum Beispiel durch eine Vermögensteuer. Wir setzen uns dafür ein, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat, ganz gleich, ob die Eltern Akademiker oder Arbeiter sind. Wir wollen ein Netz an sozialer Sicherheit schaffen, das bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter für alle da ist und vor Armut schützt.

Nicht zuletzt streiten wir für eine liberale Gesellschaft, in der wir uns vor Terrorismus und Gewalt schützen, ohne dabei unsere Freiheit aufzugeben. Das geht mit mehr und besser ausgestatteter Polizei statt Einschränkung der Grundrechte wie beispielsweise durch flächendeckende Videoüberwachung. Und wir streiten dafür, dass Deutschland weiterhin Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Gewalt sind, Schutz und Heimat bietet und gute Integrationsmaßnahmen schafft. Ein Einwanderungsgesetz ist ebenso überfällig wie eine stringente Fluchtursachenbekämpfung. Diese beinhaltet eine Afrikapolitik auf Augenhöhe, einen Stopp von Waffenexporten in Kriegs- und Krisengebiete, mehr Entwicklungshilfe statt Militärausgaben. Auch der Kampf gegen die Klimakrise ist ein Kampf gegen Fluchtursachen.

2. Was sind die stärksten Argumente, dass auch Arbeitnehmer mit geringem Einkommen und Rentner mit geringen Altersbezügen die Grünen wählen können?

Wir schlagen mit dem grünen Familienbudget ein ganzes Maßnahmenbündel vor, um die Familienförderung gerechter zu machen. Wir planen, 12 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, um Familien, die Hartz-IV beziehen oder aufstocken, deutlich besser zu stellen. Davon profitieren insbesondere die vielen Alleinerziehenden in unserem Land. Zudem wollen wir die Ungerechtigkeit beenden, dass reiche Familien über den Kinderfreibetrag für ihre Kinder einen Steuervorteil von bis zu 270 Euro geltend machen können, während Normalverdiener nur 190 Euro Kindergeld vom Staat bekommen. Wir wollen stattdessen eine Kindergrundsicherung für alle Kinder in Höhe von rund 300 Euro einführen. Die Union hingegen will die Kinderfreibeträge erhöhen und somit die Ungerechtigkeit noch weiter verschärfen. Gegen Kinderarmut hat Merkel schlicht nichts im Angebot.

Wir Grüne setzen auf eine steuerfinanzierte Garantierente, die wirksam vor Altersarmut schützt. Denn wir finden: Wer viele Jahre eingezahlt hat, soll von seiner Rente auch leben können. Sowohl die SPD als auch die Union haben in den letzten vier Jahren nichts dazu beigetragen, die Rentenversicherung zu stärken. Altersarmut, gerade bei Frauen, wollen wir bekämpfen, indem es für sie einfacher wird, sich durch Erwerbsarbeit selbst besser abzusichern: mit der Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, gleichem Lohn für gleiche Arbeit, einem Rückkehrrecht auf Vollzeit, guten Angeboten für die Kinderbetreuung und einer echten Pflegezeit beziehungsweise Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter. Außerdem wollen wir mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, Schluss machen mit der Zweiklassengesellschaft in der Gesundheitsversorgung und endlich einsteigen in die Bürgerversicherung für alle.

3. Wo herrscht dringender Handlungsbedarf in der Asyl- und Flüchtlingspolitik im Bund?

Die Bundesregierung hat durch zahlreiche Gesetzesvorhaben in den letzten Jahren das individuelle Grund- und Menschenrecht auf Asyl massiv ausgehöhlt, beispielsweise durch die Aussetzung des Familiennachzugs. Wir wollen, dass anerkannte Geflüchtete ihre Familien nachholen dürfen denn auch das hilft ihnen, sich zu integrieren. Hier bedarf es dringend der Rückkehr zu einer menschenrechtsgeleiteten Flüchtlingspolitik, die Schutzsuchende achtet und schützt anstatt sie zu gängeln und zu kriminalisieren. Deswegen halten wir auch das Konstrukt der sogenannten Sicheren Herkunftsländer für ungeeignet, da es unsichere Staaten per Gesetz als sicher erklärt. Der individuelle Fall muss über den Ausgang eines Verfahrens entscheiden und nicht das Herkunftsland per se.

Wir setzen auf ein Integrationsgesetz, das Integration als partizipativen Prozess auf Grundlage der Werte des Grundgesetzes betrachtet. Dazu gehören auch zügige und faire Verfahren, lange Wartezeiten müssen ein Ende haben. Auch wollen wir Integrationsangebote von Anfang an allen Schutzsuchenden öffnen.

4. Was ist Ihr Rezept, um den Stimmenanteil der Rechtspopulisten klein zu halten oder gar ihren Einzug in den Bundestag zu stoppen?

Die AfD pendelt zwischen nationalkonservativen, rechtspopulistischen und rechtsnationalen Positionen, mit offenen Verstrickungen in rechtsextreme Kreise. Einzelne Funktionäre sind klar dem äußersten rechten Rand zuzuordnen und eindeutig rassistisch oder anti-semitisch. Ihr Kernanliegen ist, Minderheiten zu diskriminieren und sozialen Kahlschlag voranzutreiben. Durch die Klimaleugnung setzen sie fahrlässig die Zukunft nachfolgender Generationen aufs Spiel. Wir wissen, wohin es führt, wenn Demagogen, Populisten oder gar Rechtsnationalisten an die Macht kommen: Die freie Presse wird gegängelt, die Unabhängigkeit der Justiz gerät unter Druck, Europas Zukunft wird gefährdet. Damit setzen aktuell Rechtspopulisten europaweit großartige demokratische Errungenschaften aufs Spiel, auf denen unser wirtschaftlicher Wohlstand und unsere Freiheit fußen. Deshalb wollen wir Prävention und Partizipation ausbauen, eine Politik des Hinschauens bei Radikalisierung und Diskriminierung voranbringen und Zivilcourage gegen rechte Kräfte institutionell stärken, unter anderem durch ein Demokratiefördergesetz. Wir müssen die Menschen ernst nehmen, die sich abgehängt fühlen und sich vor Globalisierung und Digitalisierung fürchten. Bei vielen nehmen Frust und Verzweiflung zu. Zu viele Menschen sind in zu schlecht bezahlten und befristeten Jobs, die es unmöglich machen, eine Familie zu ernähren oder für das Alter vorzusorgen. Ein reiches Land wie Deutschland muss es möglich machen, dass es für alle gerechter zugeht und das Aufstiegsversprechen für alle gleichermaßen gilt. Deshalb wollen wir Reformen beim Mindestlohn und enge Regeln für Leiharbeit. Wir wollen Steuerbetrügern das Handwerk legen und Superreiche angemessen an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen. Für all das bietet die AfD keine Lösungen an. Im Gegenteil: Sie will Gutverdienende entlasten, das Bank- und Steuergeheimnis wiederherstellen oder Sozialversicherungskassen privatisieren. Das ist Politik für Reiche.

Ganz herzlich bedanke ich mich bei der Bundesvorsitzenden Simone Peter und wünsche ihr viel Erfolg und viel Kraft bei ihren so wichtigen Aufgaben.

Redakteur: Willi Heuvens
Foto-Lizenz: CC BY 30 Quelle: Laurence Chaperon